Dresden, 12.06.2024
Mit dem Pokémon-Fieber in den späten 1990er Jahren wurde den Erwachsenen, die ihre wesentliche Prägung in der DDR erfahren hatten, der politische und kulturelle Paradigmenwechsel endgültig bewusst. Statt um den Ausbau einer sozialistischen Gesellschaft, den Kampf um eine bessere Zukunft und um ständige Rituale der Kritik und Selbstkritik zugunsten einer strengen Lebensführung ging es nun um die Jagd nach Spielkarten.
Der Individualismus hatte den Kollektivismus vergangener Jahre abgelöst und die Kinder entwickelten beim Handel um die begehrtesten Sammelobjekte wahre Meisterschaft. Pokémon war ein großes Thema der Zeit.
Inzwischen sind die Kinder von einst längst erwachsen geworden. Doch Pokémon bleibt aktuell. Als der Influencer Logan Paul während der Lockdowns im Zuge der Corona-Pandemie viele Menschen mit seiner Leidenschaft für die Sammelkarte inspirieren konnte, wurde ihnen bewusst, dass sich der Kindheitstraum von einst monetarisieren lässt. Was einst auf den Schulhöfen gehandelt wurde, kann heute im globalen Kontext getauscht werden. In diesem Ratgeber erfahren Dresdner, ob Pokémon-Karten als Investitionsobjekt wirklich taugen.
Die Geschichte von Logan Paul
Mythen und Legenden über die Pokémon-Karten gibt es viele. Die 5,3 Millionen US-Dollar, die Logan Paul für die Pokémon-Karte Pikachu vom Typ Illustrator Pikachu investierte, gingen viral. Der Influencer, der mit rund 22 Millionen Follower über eine enorme Reichweite verfügte, vollzog den Kauf in aller Öffentlichkeit und trug seinen neuen Schatz fortan mit Stolz an seiner Halskette.
Mit dieser Transaktion schaffte es Logan Paul ins Guinness-Buch der Rekorde, denn es war der höchste Preis, der jemals für eine Spielkarte gezahlt worden war. Er enthüllte seiner Anhängerschaft sein Geheimnis, warum für ihn diese Spielkarte einen solchen Wert hatte.
Einst selbst ein begeisterter Fan des faszinierenden Pokémon-Universums, hatte er im Kampf um die besten Spielkarten immer das Nachsehen, weil ihm damals die finanziellen Mittel zum Erwerb fehlten. Dies hatte ihn sehr gegrämt. Heute als Millionär kann er sich hingegen seinen Traum erfüllen, der ihm als Kind versagt geblieben ist. Die Geschichte von Logan Paul bietet uns zwei wertvolle Erkenntnisse zum Handel mit Pokémon-Karten. Zum einen beweist sie, dass es Menschen gibt, die für bestimmte Pokémon-Karten Millionensummen zahlen.
Zum anderen zeigt sie allerdings auch eine andere Seite dieses Geschäfts. Denn die Geschichte von Logan Paul geht weiter. Wenig später zahlte er erneut eine Millionensumme für eine andere Pokémon-Karte, fiel dabei allerdings auf eine Fälschung hinein (sein Geld erhielt der Influencer später zurück). Pokémon-Händler müssen somit ähnlich wie Sammler von Briefmarken, Luxusuhren und seltenen Metallen mit Falsifikaten rechnen.
Die Handlung im Pokémon-Universum
Ideengeber für die Pokémon-Karten war der japanische Grafiker und Zeichner Satoshi Tajiri. Als Kind hatte er eine Leidenschaft für das Jagen, Sammeln und Tauschen von lebenden Insekten entwickelt, was ihm den Spitznamen „Dr. Bug“ eingebracht hatte. Da er sich zugleich wie viele seiner japanischen Altersgenossen für Computerspiele begeisterte und schnell zum Computerspezialisten avancierte, konnte er seinen Ideen eine attraktive Ausdrucksform verleihen. Zusammen mit seinem Partner Ken Sugimori gründete er 1989 das Unternehmen Game Freak.
Mit dem Pokémon-Universum schuf er eine Welt, die von verschiedenen Taschenmonstern (Pokémon) besiedelt war. Der Junge Ash Ketchum möchte der beste Pokémon-Trainer aller Zeiten werden. Bei diesem Anliegen hat er mit dem bösen Nachbarsjungen Gary Oak einen formidablen Gegenspieler. Wer die Pokémon besitzt, kann diese gegeneinander kämpfen lassen, wobei jede Pokémon-Karte ihre spezifischen Skills und Kampfwerte besitzt. Das ist grob zusammengefasst die Hintergrundgeschichte von Pokémon, in die sich wunderbar eintauchen lässt.
Jedenfalls stieß diese Spielidee auf eine beeindruckende Resonanz und es entstanden nach der Entwicklung 1996 zahlreiche Videospiele, Filme, Mangas und eben die Pokémon-Spielkartensets, um die es als Spekulationsgut geht.
Der Wert der Pokémon-Karten
Der Wert der Sammelkarten lässt sich anhand einer Reihe von Faktoren bemessen. Wer sich unsicher ist, kann sich den Kartenwert von spezialisierten Dienstleistern gegen eine Gebühr zertifizieren lassen. Nach diesem Vorgang werden die Karten mit einer Identifikationsnummer versehen, versiegelt und in einer Datenbank registriert.
Von den Grading-Unternehmen ist PSA (Professional Sports Authenticator) am bekanntesten. Die wichtigsten Kriterien für die Wertbestimmung der einzelnen Pokémon-Karten sind das Alter und die Rarität. Die wertvollsten Karten stammen von den ersten Spielsets in den Jahren 1999 und 2000. Wer eine Karte der 1. Edition besitzt, hat das große Los gezogen. In puncto Rarität lassen sich die Seltenheitsstufen der Pokémon-Karten anhand ihrer Symbole erkennen:
Kreis: Common (sehr häufig)
Raute: Uncommon (weniger häufig)
schwarzer Stern: Rare (selten)
weißer Stern: Ultra Rare
silberner Stern im Regenbogen-Design: Rainbow Rare
silberner Stern mit goldenem Rand: Secret Rare
buntes A mit Regenbogen: Amazing Rare
SV (Shiny-Vault) vor Kartennummer: Shining Rare
Prisma: Rare Prism Star
schwarzer Stern mit Schriftzug Promo: Promokarten
Darüber hinaus interessiert Sammler der Zustand der Karten. Auch dafür hat sich eine offizielle Einstufungsmethode etabliert, derer sich die Grading-Unternehmen bedienen. Zu berücksichtigen ist, dass Mängel bei Spielkarten eher die Regel als die Ausnahme sind, weil sie in den Jahren seit ihrem Druck durch zahlreiche Kinderhände geglitten sind. Eine makellose Spielkarte gilt deshalb als etwas Besonderes und für Pokémon-Sammler sollte es selbstverständlich sein, auf eine sichere Aufbewahrung zu achten, sodass sie vor Makeln geschützt sind.
Die offizielle Mängelliste bei Pokémon-Karten ist die folgende:
PSA 10: nahezu perfekt
PSA 9: minimale Unvollkommenheiten
PSA 8: geringe Mängel
PSA 7: leichte Oberflächenschäden
PSA 6: sichtbare Mängel
PSA 5: offensichtliche Mängel
PSA 4: deutliche Abnutzungserscheinungen
PSA 3: stärkere Abnutzungserscheinungen
PSA 2: deutliche Schäden
PSA 1: schwere Schäden
Wichtig ist es für Investoren, zwischen Abnutzungserscheinungen und Fehldrucken zu unterscheiden. Während Abnutzungserscheinungen grundsätzlich wertmindernd sind, können verschiedene Fehldrucke und Fehlschnitte der Karte in den Augen von Sammlern das gewisse Etwas verleihen und ihren Wert in die Höhe treiben. Hier bedarf es einer gewissen Intuition, um solche Fehldrucke zu erkennen und ihre Bedeutung für den Kartenwert zu entschlüsseln.
Allerdings wird ein perfekter Druck als hoher Centering-Wert von Sammlern ebenfalls geschätzt. Eine perfekte Zentrierung der Karten lässt sich daran erkennen, dass die Kartenränder auf der Vorder- und Rückseite durchgängig dieselbe Größe haben.
Weitere Kriterien für den Kartenwert sind der Kampfwert der Karten, der künstlerische Wert der Charakter-Illustrationen und die Sprache. In Deutschland haben Pokémon-Karten in Deutsch, Englisch und Japanisch den höchsten Wert.
Darauf ist beim Handel mit Pokémon-Karten zu achten
Der Gedanke, seinen Kindheitstraum zu Geld zu machen, hat fraglos seine Reize, denn wer möchte nicht sein Hobby zu seinem Beruf und damit seinen Beruf zu seiner Berufung machen? Gelingt es, mit dem Investment in Pokémon-Karten eine ständig sprudelnde Einnahmequelle zu schaffen, ergibt das einstige Eintauchen in die Mysterien des Pokémon-Universums sogar einen Sinn. Vor zu großer Euphorie sei allerdings gewarnt, denn der Handel mit Pokémon-Karten ist hochspekulativ und es gibt für den Handel mit Pokémon-Karten kaum einen regulierten Markt, allenfalls einzelne Online-Marktplätze. Der Handel findet meistens Peer-to-Peer statt, und es sind, wie am Beispiel von Logan Paul zu sehen, Fälschungen im Umlauf.
Hinzu kommt, dass sich der intrinsische Wert der Pokémon-Karten nur schwerlich objektivieren lässt. So ist der Wert der Pokémon stark davon abhängig, welcher Wert ihm von anderen zugemessen wird. Damit unterliegt der Wert der Pokémon-Karten enormen Schwankungen. Bestes Anschauungsmaterial zu diesen Zusammenhängen bietet die Tulpenkrise in den Niederlanden, die als erster dokumentierter Börsencrash der Geschichte gilt. Sie zeigt, wie schnell der Wert von Sammlerstücken mit eher ideellem Wert schnell umschlagen und wie fiebrig die Spekulation mit solchen Objekten sein kann.Zwar hoffen Sammler, dass Pokémon-Karten ähnlich wie der Inhalt von Überraschungseiern mit der Zeit immer wertvoller werden, aber es gibt keine Garantie für eine neue Welle wie zu Zeiten der Corona-Pandemie. Wer in Pokémon-Karten investiert, sollte aufmerksam den Markt beobachten, um neue Trends schnell zu entdecken und seine Transaktionen danach auszurichten.
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