Von falschen Hasen, armen Rittern und Schusterjungen.
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Von falschen Hasen, armen Rittern und Schusterjungen.

Aktualisiert: 2. Apr. 2023


Von falschen Hasen, armen Rittern und Schusterjungen.
Von falschen Hasen, armen Rittern und Schusterjungen.

Dresden, 01.04.2023

Liebe Leser,

völlig neu ist unsere Rubrik "Genuss-Geschichten", die in einer ganz anderen Art auf die Kulinarik in unserer Region blickt und zum Schmunzeln einlädt.

Unser Autor Heinz Kulb lädt Sie in regelmäßigen Abständen zum Lesen dieser kleinen Geschichten ein und freut sich natürlich auch auf Ihr Feedback

 

Es ostert oder frühlingt. Sollte es zumindest. Naja, die Schneeglöckchen und Märzenbecher haben nach mehreren Anläufen in diesem jugendlichen 2023 doch noch erblühen dürfen. In einigen Landstrichen, sogar hier in Dresden, konnte man manchen Hasen beim Rammeln beobachten. Der machte sich nichts daraus, weil er wahrscheinlich weiß, dass er Schonzeit hat. Dafür laufen die Hühner in der Eierproduktion zur Höchstform auf. Und für manchen aus der menschlichen Spezies ist aus Glaubensgründen Fasten angesagt, was bedeutet, seit Aschermittwoch bis Ostern auf Fleischliches in der Pfanne und im Bett zu verzichten.


Not macht erfinderisch

Und in Not geriet einst im ausgehenden 13. Jahrhundert der Koch des recht kriegerischen Markgrafen von Meißen, Friedrich der Gebissene. Dieser feierte mit dem Abt Bruno in der reichen Bergstadt Freiberg am Gründonnerstag. Kurz vor Mitternacht gelüstete dem Friedrich nach reichlich genossenem Wein und Bier nach festerer Magenfüllung und er verlangte einen gebratenen Hasen. Der noch einigermaßen klardenkende Abt widersprach heftig mit Verweis auf den Fastenkarfreitag. Aber der betrunkene Markgraf pochte auf seine Gelüste.

Der Koch, namens Bauer, war wohl ein durchtriebener und lebenslustiger Scherzkeks. Um beiden Herrschaften gerecht zu werden, kreierte er einen falschen Hasen aus Mehl, Zucker, Eiern und Rosinen, gespickt mit Mandeln. Abt Bruno und Friedrich waren zufrieden und der „BauerHase“, so die Legende, war geboren. Heute hat der gewiefte Freiberger Bäckermeister Hartmann ein Patent darauf.


Das Heidnische lässt grüßen

Nun, der Bauerhase soll wohl eine Spielart des Osterhasen sein. Anderswo gibt es die Osterlämmer in Teigform oder das Osterbrot. Echte Hasen wurden im Altertum sogar der Liebesgöttin Venus geopfert. Diese Tierchen passten in ihr Gefolge. „Rammeln wie die Hasen“ ist noch heute eine gebräuchliche Reminiszenz an die Venus und ihrer germanischen Schwester und Frühlingsgöttin Ostara. Hasen und Lämmer sind „Frühlinge“ im ursprünglichen Sinne dieses Wortes und das „Erblühen der Jünglinge“ die menschliche Entsprechung.


Der arme Ritter

Auch der niedere Adel lebte nicht immer in Saus und Braus. Sonst gäbe es nicht die Geschichten über Raubritter der Zweit- und Drittgeborene auf ihren zugigen Burgen, die ihr Dasein in fremden Heeren fristeten. Und die Bauernschaft, ganz gleich ob Freie oder Leibeigene, musste den Mangel am Ende des Winters überstehen. Daher gab es auch regelmäßige, als gottgefällig verbrämte Fastenzeiten, was Essen, Trinken, Arbeiten und die Sexualität betraf.

Und so entstanden viele volkstümliche Gerichte, die nicht unbedingt der adligen Küche entsprangen. So, wie die Mönche in den Klöstern kurzerhand den Bieber zum Fisch erklärten, damit sie am Karfreitag nicht auf Fleisch verzichten brauchten. Ideen muss man haben.

Aus übriggebliebenem hartem Brot, Milch und einem Ei, dass sich noch im Stall finden ließ, gepaart mit etwas Salz, zauberte die holde Bauersfrau oder die Wirtin des Dorfkrugs eine Speise, die fortan „Armer Ritter“ noch heute, natürlich verfeinert, hier und da, besonders unter Studenten, bekannt ist.


Du bist, was du isst

In norddeutschen Gegenden kennt man den Schusterjungen, ein aus dunklem, vormals billigem Mehl gebackenes Brötchen. Auch hier gibt es einen sozialen Aufstieg. So konnte man auch am Essen erkennen, welchen Standes man ist, wenn man isst. Wer etwas mehr Pfennige in seiner Geldkatze hatte, konnte sich einen Schneiderjungen leisten. Der war aus hellerem Mehl gebacken und etwas teurer. Die noch besser betuchten Bürgerlichen in Berlin leisteten sich Geheimratsschnitten, feine dünne Weißbrotscheiben mit guter Butter.

In der Chemnitzer Gegend sollte sich ein Tourist oder Zugereister nicht täuschen lassen, wenn man ihm einen Truthahn anbietet. Da erwartet ihn kein Braten dieses Federviehs, sondern ein schnödes Brot mit Käse drauf. Anderenorts sagt man dazu Schiebocker. In Leipzig taufte man fantasievoll einen kleinen Kuhkäse als Polizeifinger. Lasst die Fantasie walten.

Und so entstammen auch viele Suppen der Küche der armen Bauern, Hirten und Jäger. Wie das ungarische Gulasch, der marinierte Heringe, die verlorenen Eier. Auch das Studentenfutter hat seinen Ursprung in der Armenküche. Erst gab es Küchenreste. Dann kreierte man später aus veredelten Knackmandeln und Traubenrosinen diese nahrhafte Knabberei.

Eine andere lustige Wortschöpfung ist das Nonnenfürzlein. Das ist kein, den klösterlichen Schwestern während der Messe entfleuchtes, halb unterdrücktes und leise pfeifendes Darmgeräusch. Es ist ein aus luftigem Brandteig hergestelltes, in Fett gebackenes Küchlein, deren große Schwester der hiesige Pfannkuchen ist.


Die Quintessenz des Ganzen: Liebe Köchinnen und Köche, liebe Wirtin, lieber Wirt, lasst Fantasie und Originalität walten. In unseren Landen ist viel zu entdecken, was zudem auch noch nachhaltig und schmackhaft ist. Entreißt es dem Vergessen.

Ihnen allen ein genussreiches Ostern.

 

Eine GenussGeschichte von Heinz Kulb

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