Entgelttransparenzrichtlinie – Wie die EU der Gastronomie eine weitere Bürokratielast aufbürdet
- Redaktion Lust auf Dresden

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Es ist kaum noch zu übersehen: Während Gastronomen und Hoteliers jeden Tag darum kämpfen, Personal zu finden, steigende Kosten zu stemmen und ihren Betrieb am Laufen zu halten, kommt aus Brüssel die nächste Hürde – die Entgelttransparenzrichtlinie, die ab 7. Juni 2026 in der EU gelten soll.
Und wir fragen uns im Gastro-Radar einmal mehr: Wie viel Bürokratie kann unsere Branche eigentlich noch verkraften?
Ein Schritt zur Fairness – oder ein weiterer Schritt Richtung Bürokratie-Irrsinn?
Natürlich: Der Grundgedanke ist richtig. Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit – dem widerspricht niemand. Aber die Art und Weise, wie dieser Grundsatz erneut in komplexe Vorgaben, starre Berichtspflichten und schwerfällige Dokumentationsprozesse gegossen wird, trifft vor allem die Branche, die ohnehin schon am Limit arbeitet.
Gerade Gastronomie und Hotellerie gehören zu den Bereichen mit der höchsten Arbeitsverdichtung, den komplexesten Entgeltkomponenten und einem eklatanten Fachkräftemangel. Und genau hier sollen jetzt zusätzliche Nachweise, Entgeltbewertungen und Berichtsmechanismen greifen, als hätten Hotelbetriebe oder Restaurants eigene Verwaltungsabteilungen im Hinterzimmer sitzen.
Was die Richtlinie verlangt – und warum sie viele Betriebe hart trifft
1. Gehaltsangaben bereits in Stellenanzeigen
Schon vor dem ersten Gespräch muss künftig eine verbindliche oder realistische Gehaltsspanne genannt werden. Das mag in Konzernen funktionieren – in der Gastronomie, wo sich Entgeltstrukturen oft aus Zuschlägen, Diensten, Erfahrung, Saison und Teamkonstellationen ergeben, ist das deutlich schwieriger.
2. Verbot der Frage nach früheren Gehältern
Absolut nachvollziehbar – aber es zwingt Betriebe dazu, jede einzelne Entgeltstruktur mit objektiven Faktoren hinterlegen zu können.
3. Auskunftsrechte für alle Mitarbeiter – unabhängig von Betriebsgröße
Jeder Beschäftigte hat künftig Anspruch auf Auskunft über sein Entgelt und das durchschnittliche Entgelt vergleichbarer Tätigkeiten.Damit verlieren vertrauliche Vergütungsabsprachen vollständig an Bedeutung.
4. Entgeltbewertung ab einem unerklärbaren Lohngefälle von 5 %
Fällt diese Grenze, müssen Arbeitgeber zusammen mit der Arbeitnehmervertretung eine vollständige Analyse durchführen. Das bedeutet: Mehr Verwaltungsarbeit, mehr Dokumentation, mehr Zeitaufwand – insbesondere für größere Betriebe oder Hotelketten.
5. Beweislastumkehr
Im Streitfall muss der Arbeitgeber beweisen, dass keine Diskriminierung vorliegt – nicht umgekehrt. Ein gefundenes Fressen für Abmahnanwälte und ein enormes Risiko für Betriebe, die nicht akribisch dokumentieren.
Die Realität im Gastgewerbe wird ignoriert
Und hier liegt das Hauptproblem:Die Richtlinie verkennt völlig, wie unsere Branche funktioniert.
Schichtzuschläge ändern sich wöchentlich.
Trinkgelder variieren – und gehören trotzdem zum Entgeltbegriff.
Saisonale Schwankungen beeinflussen Arbeitszeiten und Vergütung.
Familienbetriebe arbeiten oft ohne eigene Personalabteilung.
KMU sind schon jetzt überlastet mit Nachweis-, Dokumentations- und Kontrollpflichten.
Es entsteht der Eindruck, als verfolge die Politik – ob gewollt oder nicht – einen Kurs, der Unternehmern das Leben immer schwerer macht, statt ihnen den Rücken zu stärken.
Wo bleibt die Unterstützung? Wo die Entlastung für jene, die das Rückgrat unserer regionalen Wirtschaft bilden? Wo die Anerkennung für Betriebe, die trotz aller Widrigkeiten Ausbildungsplätze schaffen, Mitarbeiter binden und unsere Städte gastronomisch lebendig halten?
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Natürlich dürfen wir die Augen nicht davor verschließen: Transparenz schafft Fairness. Aber Fairness entsteht nicht durch bürokratische Überfrachtung – sondern durch verlässliche Rahmenbedingungen, Entlastung und Vertrauen in die Betriebe, die täglich ihr Bestes geben.
Wenn die Politik immer weiter Regulierungen ohne Praxistest durchdrückt, verlieren wir Zeit, Geld und im schlimmsten Fall engagierte Unternehmer, die irgendwann sagen:„Es reicht.“
Unser Fazit im Gastro-Radar
Die Entgelttransparenzrichtlinie ist ein weiteres Beispiel für gut gemeinte, aber schlecht gemachte Regulierung. Sie schafft weniger Fairness als Bürokratie – und trifft vor allem mittelständische Gastronomen und Hoteliers, die ohnehin schon an der Belastungsgrenze arbeiten.
Wir empfehlen allen Betrieben: Sich frühzeitig mit den neuen Anforderungen zu beschäftigen – aber gleichzeitig klar nach oben zu kommunizieren, dass dieser Kurs so nicht weitergehen kann.
Wenn Politik den Aufschwung will, dann muss sie die Unternehmen stärken – nicht schwächen.
Ein Beitrag von Dirk Andersch












