top of page

Ein Tag der Einheit – und eine Branche, die längst tief gespalten ist

Ein zerbrochener Teller

Am 3. Oktober 2025, dem Tag der Deutschen Einheit, blicken wir nicht nur zurück auf historische Meilensteine, sondern auch auf eine aktuelle Realität: Die Gastronomie steht in Deutschland vor einer massiven Krise, während große Teile der politischen Klasse lieber über Aufrüstung und außenpolitische Eskalationen debattieren, als sich den drängenden Sorgen der eigenen Bevölkerung zuzuwenden.


Umsatzrückgänge, Kostenexplosionen, personeller Engpass

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Im März 2025 war der Umsatz real 1,3 % niedriger als im Februar, und im Jahresvergleich lagen die Umsätze sogar 3,5 % unter dem Vorjahresmonat. Im Mai 2025 sank der Umsatz real nochmals um 4,6 % gegenüber dem Vormonat, und gegenüber Mai 2024 um rund 4 %.

Vor diesem Hintergrund warnt die Branche – von DEHOGA über Fachzeitschriften bis zu Marktbeobachtern – von einem Gastro-Kollaps, der längst keine Hilfsmetapher mehr ist.


Die Gründe sind vielfältig, doch in vielen Betrieben verschränken sich dieselben Herausforderungen:

  • Die Kosten für Energie, Miete, Personal und Lebensmittel explodieren weiter – und bei einem ohnehin engen Kosten-Korsett wird jeder Preisschritt zum Wagnis.

  • Zugleich schrumpft die Konsumfreude – Gäste sparen, verkleinern ihre Ausgaben, verzichten eher auf Restaurant- oder Ausgehabende.

  • Der Fachkräftemangel bleibt die größte strukturelle Herausforderung: Viele Betriebe kämpfen, geeignete Mitarbeitende zu finden oder zu halten.

  • Hinzu kommt ein oft übersehenes Phänomen: stille Schließungen. Viele Betriebe geben vorher auf, bevor eine Insolvenz offiziell gemacht wird.


Schon seit Jahren beklagt der DEHOGA, dass die politischen Rahmenbedingungen nicht tragfähig sind. Unter dem Slogan „Zeit für echte Lösungen“ fordert der Verband konkrete Maßnahmen statt Lippenbekenntnisse.


Steuerwende in der Gastro – zu spät und halbherzig

Ein Hoffnungsschimmer: Ab 2026 soll die Umsatzsteuer auf Speisen in der Gastronomie dauerhaft von 19 % auf 7 % gesenkt werden. Doch die Ankündigung ist zugleich symptomatisch für die vorherige Untätigkeit: Die Branche musste Monate mit hohen Steuersätzen kämpfen, bevor überhaupt ein Entlastungsversprechen formuliert wurde.


Und selbst diese Entlastung wird von vielen Gastronomen ambivalent gesehen – denn die gestiegenen Kosten lassen sich nicht vollständig kompensieren. Der Dehoga weist darauf hin, dass mindestens 70 % des Umsatzes oft bereits für Personal und Wareneinsatz anfallen – und ein niedrigerer Steuersatz allein auf die Kostenstruktur kaum Einfluss hat.


Ein weiterer kritischer Punkt: Eine wissenschaftliche Analyse zeigt, dass bei der Mehrwertsteuererhöhung von 7 % auf 19 % (seit Anfang 2024) nur ein Teil der Steuer auf die Verbraucherpreise durchschlug – und zwar zunächst mit Verzögerung. Der Umkehrschluss: Werden Entlastungen angekündigt, werden sie möglicherweise weniger stark weitergegeben, als viele hoffen.


Die Politik – untätig, abgelenkt, fehlallokiert

Gerade an einem Tag wie dem 3. Oktober fällt auf, wie stark politische Prioritäten verschoben sind. Während viele Betriebe in Existenznöten stecken, investiert der Staat weiterhin Milliarden in Militär, Rüstung und sicherheitspolitische Projekte. Diejenigen, die täglich Menschen empfangen, Arbeitsplätze schaffen und kulturelle Begegnungsräume bieten, werden häufig übersehen oder als „Luxus“ abgetan.

Es gäbe zahlreiche Ansatzpunkte, an denen eine verantwortungsbewusste Regierung heute eingreifen könnte und müsste:

  • Echte Zuschüsse und Investitionsprogramme für Renovierung, Energieeffizienz oder Digitalisierung (nicht nur Studienprogramme)

  • Tarifliche Entlastungen, Förderung von Lohnzuschüssen oder Steuerfreibeträgen, um Personalengpässe abzufedern

  • Sofortmaßnahmen gegen Bürokratiebelastung – bei Genehmigungen, Hygieneauflagen, Meldepflichten

  • Faire Energiepreise für Kultur- und Gastrostandorte, gerade im verbrauchslastigen Winter

  • Transparenz, Dialog und Mitentscheidung – statt Top-down-Ansagen


Einige Ansätze existieren: Die Bundesregierung plant, Bürokratie im Gastgewerbe bundesweit zu vereinheitlichen und Spielräume effizienter zu nutzen. Aber das ist noch kein Ausgleich für das jahrzehntelange Aushungern der Branche.


Rückblick & Mahnung

Am Tag der Deutschen Einheit sollte uns bewusst sein: Einheit ist mehr als ein historisches Datum – sie ist ein Versprechen, dass niemand zurückgelassen wird. Die Gastronomie ist mehr als Kulisse und Konsumfacette: Sie ist Wirtschaft, Kultur, Begegnung. Wenn wir uns erlauben, diesem Sektor zuzusehen, wie er bricht, dann ist das ein Armutszeugnis für unsere Prioritäten.


Wenn Regierungen lieber über Krieg und Machtdemonstrationen streiten, statt das Rückgrat der Gesellschaft – die kleinen und mittleren Betriebe – zu sichern, dann ist das keine Politik – das ist Vertuschung.



20250203_112601.jpg

TOP-NEWS!

Was ist kulinarisch los in Dresden und Umgebung

Einmal wöchentlich stellen wir die Top-Genuss-News aus der Region für dich zusammen und senden dir diese Information per E-Mail.

Danke für deine Anmeldung

Du weißt etwas, worüber wir unbedingt berichten sollten, dann kannst Du hier deine Nachricht direkt an unsere Redaktion senden.

bottom of page