Wenn Kultur zum Spielball wird – warum Dresden seine eigenen Stärken verspielt
- Redaktion Lust auf Dresden

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Aktualisiert: 31Min.

Der Pressetermin am 17. Dezember im Hilton Hotel Dresden war kein gewöhnlicher Termin. Er war ein Alarmsignal. Was dort von den Verantwortlichen der Jazztage Dresden und des Internationalen Dixieland Festivals geschildert wurde, zeigt exemplarisch, wie sehr die Kulturförderung in Dresden aus dem Gleichgewicht geraten ist – politisch, wirtschaftlich und moralisch.
Die Jazztage Dresden sind kein Nischenprojekt. Sie sind seit Jahren fest im kulturellen Selbstverständnis dieser Stadt verankert, mit internationaler Strahlkraft, touristischer Relevanz und erheblichem wirtschaftlichem Effekt. Hotels, Gastronomie, Einzelhandel profitieren messbar. Und dennoch werden genau solche Formate zunehmend kleingeredet, gekürzt oder ganz fallen gelassen.
Sicherheit als Kostenfalle – und niemand stellt die Grundsatzfrage
Was besonders bitter aufstößt: Veranstalter müssen inzwischen Sicherheitskosten in fünfstelliger Höhe selbst tragen. Allein rund 50.000 Euro flossen zuletzt in Terrorsperren und Sicherheitskonzepte. Geld, das nicht in Programm, Nachwuchs oder kostenfreie Kulturangebote investiert werden kann.
Die entscheidende Frage wird jedoch konsequent vermieden: Warum ist dieser Sicherheitsaufwand überhaupt notwendig? Warum akzeptieren Politik und Verwaltung stillschweigend, dass Kulturveranstalter die Folgen einer gesamtgesellschaftlichen Sicherheitslage schultern sollen, ohne diese Ursachen politisch zu benennen oder zu bekämpfen?
Ungleiche Behandlung statt Gleichheitsgrundsatz
Besonders deutlich wurde beim Pressetermin die Ungleichbehandlung innerhalb der Kulturlandschaft. Während andere Formate weiterhin – teils deutlich höher – gefördert werden, werden den Jazztagen bewährte Mittel entzogen, ohne nachvollziehbare Begründung. Der Verweis auf Haushaltslage wirkt vorgeschoben, wenn gleichzeitig neue oder andere Projekte bevorzugt behandelt werden.
Intendant Kilian Forster sprach offen von Diskriminierung, von Wettbewerbsverzerrung und von Willkür. Und man muss festhalten: Der Gleichheitsgrundsatz, der für sogenannte Hochkultur selbstverständlich gilt, scheint für Festivals wie die Jazztage nicht zu greifen – obwohl sie internationale Künstler, Publikum aus ganz Europa und enorme Medienwirkung nach Dresden bringen.

Wirtschaftlich absurd, kulturell fatal
Die Zahlen sprechen für sich: Ein Festivaletat von rund 650.000 Euro, davon 600.000 Euro aus Ticketeinnahmen, ergänzt durch Benefizevents und Stadtbezirksmittel. Die institutionelle Förderung der Stadt lag zuletzt bei lediglich 40.000 Euro, vom Land kamen 20.000 Euro. Das ist keine Luxusförderung – das ist symbolische Unterstützung.
Gleichzeitig wird von Veranstaltern erwartet, Planungssicherheit zu gewährleisten, Verluste auszugleichen und steigende Kosten zu schultern. Der Intendant selbst arbeitet zu einem unterirdischen Honorar, das in keinem Verhältnis zur Verantwortung steht. Und dennoch wird ausgerechnet hier der Rotstift angesetzt.
Verantwortung wird weitergereicht – Interesse fehlt
Was bleibt, ist der Eindruck einer Wasserkopfpolitik, in der Verantwortung von Amt zu Ausschuss zu Ausschuss geschoben wird. Antworten aus der Stadtverwaltung wirken resigniert, teilweise gleichgültig. Ein echtes Interesse an den kulturellen Aushängeschildern der eigenen Stadt ist kaum spürbar.
Besonders irritierend: Auch große Medien bleiben auffallend still. Ein Festival, das von Unterstützern als „das beste Festival der Stadt“ bezeichnet wird, verschwindet aus der öffentlichen Wahrnehmung – während gleichzeitig über Förderentscheidungen berichtet wird, die kaum jemand nachvollziehen kann.
Fazit der Redaktion
Was wir hier erleben, ist kein Einzelfall. Es ist ein Symptom. Ein Symptom dafür, dass Kultur zunehmend als Kostenfaktor betrachtet wird – nicht als Investition. Dabei sind es genau diese Formate, die Dresden lebendig, international sichtbar und wirtschaftlich attraktiv machen.
Während Milliarden für andere politische Prioritäten fließen, geraten Kultur, Innenstadtleben und gesellschaftlicher Zusammenhalt immer weiter unter Druck. Das macht wütend, traurig – und es widerspricht dem, was viele Wähler erwartet haben.
Wenn diese Linie beibehalten wird, wird die Talfahrt auch 2026 anhalten. Und Dresden wird sich irgendwann fragen müssen, warum seine kulturelle Strahlkraft verblasst ist – obwohl man es hätte besser wissen können.
Wir als Redaktion halten fest: Die Jazztage Dresden sind kein Problem.Sie sind Teil der Lösung.












