Dresden zwischen Barockkulisse und Kassensturz: Warum die Gastronomie wankt – und was 2026 wirklich helfen könnte
- Redaktion Lust auf Dresden
- 21. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Aug.

Die Rechnung sieht auf den ersten Blick gut aus: Ab dem neuen Jahr soll die Mehrwertsteuer auf Speisen wieder auf 7 % sinken. Viele hoffen, dass damit Essen-gehen automatisch günstiger wird und die Gäste zurückkehren. Doch wer in diesen Wochen mit Gastgebern in der Dresdner Innenstadt spricht, hört anderes: Touristen fehlen, Einheimische meiden das Zentrum wegen der Preise, und „nur Kunst & Barock“ reicht jüngeren Zielgruppen nicht mehr als Magnet. Die Branche steckt im Spagat zwischen Atmosphäre und Arithmetik.
Die Lage in Zahlen – und auf der Straße
Real schrumpfende Umsätze im ersten Halbjahr, deutlich unter Vor-Corona; nominal halten viele Betriebe sich nur durch Preissteigerungen über Wasser.
Kostenlawine: Personal, Lebensmittel und Energie sind seit 2022 kräftig gestiegen – etliche Küchenchefs sprechen von einem Dauerlauf bei Einkaufspreisen und Dienstplankosten.
Innenstadt-Feedback: Gastgeber rund um Neumarkt und Altmarkt berichten von zurückhaltenden Dresdnern, die lieber im Umland essen, sowie von zu wenigen Anlässen, junge Gäste ins Zentrum zu locken.
Mehrwertsteuer runter – Preise runter? Ein Reality-Check
Die Rückkehr zu 7 % MwSt. auf Speisen ist richtig – sie schafft Fairness zwischen Gastronomie und Lebensmitteleinzelhandel. Aber: Parallel sind höhere Mindestlöhne vorgesehen; branchenüblich ziehen damit auch andere Löhne nach. Das kann den Steuer-Vorteil teilweise auffressen.
Beispiel (vereinfachte Rechnung): Gericht netto 10,00 €
mit 19 % MwSt.: 11,90 € Bruttopreis
mit 7 % MwSt.: 10,70 € Bruttopreis → –1,20 € theoretischer Spielraum
Steigt zugleich der Personalkostenanteil (z. B. 35 % vom Netto) um 10 %, erhöht sich der Kostenblock um 0,35 €. Kommen höhere Wareneinsätze/Energie (+0,30 €) hinzu, bleiben vom steuerlichen Puffer nur noch ein paar Dutzend Cent. Und das ist ohne Investitionen, Miete oder Rücklagen gerechnet.
Fazit: Die Steuer hilft – aber sie allein bringt die Wende nicht.
Was Dresden konkret braucht – jenseits der Steuerfrage
Anlässe statt nur Kulisse
Pop-up-Flächen, Street-Food-Slots, Night-Markets, DJ-Courtyards – junge Formate in Sichtweite von Altmarkt/Neumarkt. Kultur bleibt, aber bekommt zeitgemäße Ergänzungen.
Planbare Frequenz
Monatlicher „Late Friday“ (Shops + Gastro bis 23 Uhr), verlässliche After-Work-Reihen am Wasser/Platz, Kooperationen zwischen Häusern (Museum → Getränke-Deal, Konzert → Food-Special).
Preissignale, die nicht wehtun
Kleine Value-Menüs (2–3 Gänge unter einer runden Schwelle), Tagesgerichte, geteilte Teller, „2 für 1“-Lunch im Randfenster. Nicht alles dauerhaft – aber sichtbar.
Digitaler RückenwindLoyalty (Stempel in der Wallet), Bundles (ÖPNV-Ticket + Aperitivo), Reservierungs-Prompts bei Events. Sichtbar auf Maps & Insta – dort entsteht die Spontan-Entscheidung.
Stadt & Branche gemeinsam
Einheitlicher Innenstadt-Kalender, vereinfachte Genehmigungen, faire Gebühren für Außenflächen, gezielte Stipendien für neue Konzepte (junge Betreiber, New-Cuisine, Spätdinner).
Für Gastgeber: drei schnelle Hebel
Fixkosten drehen: Schichten an Nachfragekurven ausrichten, kleinere Karten außerhalb der Kernzeit, energiearme Produktionsfenster.
Deckungsbeitrag schützen: Kalkulation pro Gericht sichtbar machen; schwache Artikel streichen, Heroes pushen.
Story erzählen: Herkunft, Team, Anlass – wer nichts erzählt, verkauft nur Preis.
Für Gäste: worauf es ankommt
Wenn die Lieblings-Location bleiben soll, hilft Frequenz: lieber einmal öfter auf ein kleines Menü, den Drink nach Feierabend, die geteilte Vorspeise. Gastronomie ist Stadt-Kultur – keine Selbstverständlichkeit.
Ausblick
Die Steuersenkung kann der nötige Startimpuls sein. Entscheidend wird, ob Dresden parallel neue Gründe für den Besuch schafft und ob Betriebe die Kostenwelle mit kluger Angebots- und Preispolitik reiten. Sonst verpufft der Vorteil in Lohn- und Warendruck – und das Abendessen in der Innenstadt bleibt für viele ein seltener Luxus.
Kernaussage: Steuer runter ist gut. Anlass rauf ist besser. Beides zusammen macht den Unterschied.
Hinweis: Dieser Beitrag wurde auf Grundlage öffentlich zugänglicher Informationen erstellt und journalistisch eigenständig aufbereitet. Einzelne Angaben orientieren sich an Berichten aus regionalen Medien, insbesondere zur aktuellen Entwicklung in der Gastwirtschaft.