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Zwischen Erleichterung und Identitätsverlust – Warum wir den neuen DEHOGA-Jubel kritisch sehen

Asiatische Köchin beim Anrichten einer Speise

Der DEHOGA Sachsen feiert den neuen Erlass des Sächsischen Innenministeriums als „Klarheit und Erleichterung“. Ausländische Auszubildende dürfen künftig drei Monate länger arbeiten, während ihre Anschlussaufenthaltstitel geprüft werden. Mehr als 10.000 junge Menschen und ihre Betriebe sollen davon profitieren.


Doch bei aller kurzfristigen Entlastung stellt sich uns eine Frage, die weit über Personalplanung hinausgeht:

Zu welchem Preis stabilisieren wir unser Gastgewerbe – und was verlieren wir dabei langfristig?


Der Fachkräftemangel wird nicht gelöst, sondern umgelenkt

Natürlich ist es richtig: Viele engagierte junge Menschen aus dem Ausland sind fester Bestandteil unserer Branche geworden. Sie arbeiten zuverlässig, motiviert und werden in vielen Betrieben geschätzt. Niemand stellt diese Tatsache infrage.


Doch die politische Erzählung der letzten Jahre ist gefährlich einseitig geworden:„Ohne ausländische Arbeitskräfte bricht das Gastgewerbe zusammen.“


Diese Erzählung überdeckt die eigentlichen Ursachen:

  • marode Ausbildungsstrukturen

  • fehlende Wertschätzung für gastgewerbliche Berufe

  • geringe Löhne bei gleichzeitig hoher Belastung

  • unattraktive Arbeitsbedingungen

  • mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf

  • ein politisches Umfeld, das den Mittelstand systematisch überlastet


Solange diese Probleme nicht gelöst werden, bleibt jeder Erlass nur ein Pflaster auf einer offenen Wunde.


Eine Gastronomie, die ihr Gesicht verliert

Der vielleicht schwerwiegendste Aspekt wird öffentlich so gut wie nie diskutiert – wir tun es im Gastro-Radar:


Die deutsche Gastronomie verliert ihre eigene Identität.

Laut aktuellen Branchenanalysen beträgt der Anteil deutscher Gastronomiebetriebe in Deutschland nur noch rund 35 Prozent. In Ländern wie Frankreich oder Italien liegt dieser Anteil bei über 80 Prozent.

Und während dort nationale kulinarische Traditionen geschützt und gefördert werden, wird in Deutschland die eigene gastronomische Kultur zunehmend verdrängt – politisch geduldet, wirtschaftlich ignoriert.

Vor Kurzem wurde sogar die italienische Küche zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Ein starkes Signal für kulturelle Identität. Und ein Spiegel darüber, wie wenig wir selbst mittlerweile über unsere eigenen kulinarischen Wurzeln sprechen.


Ausländische Nachfolger retten – aber verändern – deutsche Betriebe

Gleichzeitig erleben wir einen massiven Trend: Deutsche Unternehmen finden keine Nachfolger mehr. Viele schließen – oder werden von ausländischen Nachfolgegenerationen übernommen.

Das Problem ist nicht die Internationalisierung. Die bereichert uns. Aber die Wahrheit ist: Deutschland verliert Eigenständigkeit, Tradition und ein Stück wirtschaftliches Rückgrat, während die Politik diesen Prozess als alternativlos darstellt.

Statt Ursachenforschung gibt es Erklärungen wie aus dem Baukasten:„Wir brauchen ausländische Fachkräfte, sonst steht alles still.“

Doch warum steht es still? Weil man zugelassen hat, dass gastgewerbliche Berufe abgewertet, finanziell ausgehöhlt und gesellschaftlich uninteressant gemacht wurden.


Der Erlass bringt kurzfristige Erleichterung, aber langfristig keine Lösung

Die dreimonatige Weiterbeschäftigung ist für viele Betriebe hilfreich – das ist unbestritten. Aber sie ändert nichts am eigentlichen Problem:

  • Wir kompensieren deutsche Ausbildungs- und Fachkräfteschwäche durch Zuwanderung.

  • Wir übersehen, dass immer weniger Deutsche die Branche wählen – oder in ihr bleiben.

  • Wir reden über Übergangslösungen, statt echte Reformen einzuleiten.


Wenn 60 % der sächsischen Gastro-Azubis bereits vietnamesische Pässe haben, dann ist das nicht nur ein Fachkräfteprogramm. Das ist ein Spiegelbild der demografischen und wirtschaftlichen Fehlentwicklungen in Deutschland.


Ein kritischer Blick, den wir nicht verlieren dürfen

Der DEHOGA nennt den Erlass eine „Erleichterung“. Wir sagen: Ja – aber nur kurzfristig.

Langfristig führt dieser Kurs zu einer Gastronomie, die:

  • ihre kulturelle Identität verliert,

  • immer abhängiger von ausländischer Zuwanderung wird,

  • und gleichzeitig weiterhin mit strukturellen Problemen allein gelassen wird.


Es ist höchste Zeit, dass Politik und Verbände nicht nur Übergangserleichterungen feiern, sondern echte Ursachenbekämpfung betreiben:

  • bessere Bezahlung

  • attraktivere Arbeitsmodelle

  • gesellschaftliche Aufwertung der Branche

  • Modernisierung der Ausbildung

  • Bürokratieabbau

  • Förderung deutscher kulinarischer Traditionen


Sonst werden wir in Zukunft immer weniger „deutsche Gastronomie“ im eigenen Land wiederfinden.


Unser Fazit im Gastro-Radar

Der Erlass mag Erleichterung bringen –aber er ist auch ein alarmierender Indikator dafür, wie sehr wir uns von echten Lösungen entfernt haben.

Unsere Branche verdient mehr als immer neue Notprogramme. Sie verdient eine Strategie, die deutsche Betriebe stärkt, Tradition sichert und die Zukunft des Gastgewerbes im eigenen Land bewahrt.


Ein Beitrag von Dirk Andersch

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